Tier- und Pflanzenarten

Kiebitz

Wie Landwirtschaft und Naturschutz Hand-in-Hand erfolgreich sind, konnte man in diesem nassen Frühjahr zwischen Münster und Hergershausen beobachten. Hier, im Gebiet der sog. „Hergershäuser Wiesen“ brütet der Deutschlands Vogel des Jahres 2024: der Kiebitz.

Mit dem auffallendem „chiu-witt“-Ruf finden sich die Kiebitze jedes Frühjahr in den feuchten Gebieten zwischen Gersprenz und Semme ein. Die gewagten Manöver der tierischen Kunstflieger lässt Laien wie Vogelkundler staunend verharren. Nach einer kurzen Brautschau suchen sich die Pärchen geeignete Flächen für die Brut.

Der Kiebitz ist älteren Generationen aus der Feldflur gut bekannt. Der Vogel war so stark verbreitet, dass man auch in unserem Landkreis Kiebitz-Eier zum Verspeisen sammelte. Doch das ist heute nicht mehr möglich: Trockene Frühjahre, vermehrter Anbau von Wintergetreide, die stärkere Vermehrung von Fressfeinden - verschiedenste Gründe führten zu einem dramatischen Verlust an Kiebitzen. Offizielle Zahlen vermeldeten einen Rückgang von 93% zwischen 1980 und 2016. Und: Je kleiner die Zahl der Kiebitze, desto wichtiger wird jedes Brutpaar und jede erfolgreiche Brut für eine Erholung des Gesamtbestandes. Die „Hergershäuser Wiesen“ sind eins von drei starken Kiebitz-Gebieten hessenweit und damit ein Schatz unseres Landkreises.

Anfang des Jahres stand Ortslandwirt Ingo Knispel nach viel Niederschlag vor seinem überschwemmten Winter-Roggen-Acker in Hergershausen. Das Befahren des Ackers hätte zu einer mittelfristigen Schädigung des Bodens geführt. Zur gleichen Zeit beobachteten örtliche Vogelkundler zwei Kiebitz-Paare, die den nassen Acker erkundeten. Als die Kiebitze dann Ende Februar begannen Mulden für ihre Nester in den Boden zu „drehen“, wurde klar, dass die Vögel hier einen geeigneten Brutplatz gefunden hatten.

Dr. Wolfgang Heimer, der für den Naturschutz im Landkreis Darmstadt-Dieburg seit Jahrzehnten ein wichtiger Akteur und Taktgeber ist, meldete die Beobachtungen an den beruflichen Naturschutz. Da der nasse Kiebitz-Acker innerhalb des großen Vogelschutzgebiets „Untere Gersprenzaue“ liegt, wurde Lisa Wettklo (Schutzgebietsmanagement, Forstamt Dieburg) zuerst informiert. Eberhard Sandhäger vom Fachteam Landschaftspflege des Landratsamts Darmstadt-Dieburg kontaktierte den Landwirt Ingo Knispel. Der wiederum zeigte sich offen für die Idee, die entstehenden Kiebitz-Nester mit einem mobilen Weidezaun zu schützen.

Anfang März wurde dann der vernässte Teil des Ackers mit einem Weidezaun umstellt. Das Forstamt Dieburg beauftragte erstmalig den jungen Landschaftspflegeverband Darmstadt-Dieburg mit dem Aufbau und der Betreuung des Zauns. Der stromführende Zaun hielt seitdem freilaufende Hunde, Füchse und Waschbären von den Nestern fern. Finanziert wurde die Maßnahme durch Mittel des Landes Hessens für das Schutzgebietsmanagement.

Ingo Knispel konnte aufgrund der Einzäunung weder nachsäen oder düngen. Damit blieben die mittlerweile deutlich trockeneren Teilbereiche kahl. Durch Herrn Sandhäger und sein Fachteam Landschaftspflege wurde der Landwirt beraten und konnte so wirtschaftliche Einbußen durch den Kiebitzschutz im Rahmen der HALM2-Agrarförderung ausgleichen.

Dank der Mitwirkung ehrenamtlicher Naturschützer aus der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) und der örtlichen NABU-Gruppe, konnten der Zaun und die Brut täglich kontrolliert werden. Dabei ersparten die Ehrenamtler dem Land Hessen einige Kosten, die durch die Betreuung durch den beruflichen Naturschutz entstanden wären.

Mit großer Freude teilten dann eben diese Ehrenamtler auch mit, dass Ende April die ersten „Pullis“ (Kiebitz-Küken) durch den feuchten Acker tapsten. Nach wenigen Wochen sind die Jungvögel nun auf die Größe von Junghennen herangewachsen und wandern auch schon außerhalb des Zauns. Der Erfolg dieser Maßnahme ist ein wichtiger Beitrag für den Erhalt des Kiebitzes in Hessen und darüber hinaus.

So endete diese Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz mit einem absoluten Erfolg und vielen glücklichen Gesichtern. Zum Abschluss wurde auch noch ein Presseartikel zu dem gelungenen Projekt veröffentlicht, diesen finden Sie hier.

 

Institution Projektbeteiligt Finanzierung od. Programm Ansprechpartner
LPV-DADI HGON AK Dieburg, FA Dieburg Schutzgebietsmittel Marius Hüther
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