AUBI-2
Agrarökosysteme & Biodiversität in der Agrarlandschaft
Einordnung
Die landwirtschaftliche Nutzung hat über Jahrtausende die Landschaft geprägt und wertvolle Agrarökosysteme geschaffen. Durch Ackerbau und Viehzucht entstand eine Kulturlandschaft mit einer besonderen Flora und Fauna. Die Lebensbedingungen der Tiere und Pflanzen sind abhängig von der Art der Bewirtschaftung der Felder, Weiden und Wiesen. Gleichzeitig wirken sich eine intakte Fauna und Flora in der Feldflur positiv auf die Bewirtschaftung und den Ertrag aus. Diese positiven Effekte entstehen aus sogenannten Ökosystemdienstleistungen: Insektenjagende Feldvögel reduzieren die Schadinsekten in den Feldern, Greifvögel verringern die Anzahl der Nagetiere, Bodenlebewesen schaffen eine die Bodenstruktur, die Bestäubung fördert die Ertragsmengen bei bestimmten Kulturen usw.
Die technische Weiterentwicklung der Landwirtschaft in den letzten 200 Jahren führte über die Einführung von Maschinen, Mineraldünger, Pflanzenschutz und -züchtung zu einer Steigerung der Lebensmittelversorgung. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts wächst der Preis- und Effizienzdruck auf die Landwirtschaft durch den Handel und die Konsumenten. Das verstärkte den Wandel der Landwirtschaft.
Heute ist die Getreideernte höchst effizient und schnell. Die Heumahd erfolgt innerhalb kürzester Zeit auf allen Wiesen in einer gesamten Gemarkung. Der Einsatz von Agrarchemie (Pflanzenschutz, Dünger) minimiert das Risiko von Ertragseinbußen. Mit den Flurbereinigungen entstanden größere Schläge, die die maschinelle Bewirtschaftung effizienter machen. Durch diese Entwicklung verschwanden Randstreifen, wie Hecken und Säume, extensiv-genutzte Flächen und Brachen. Heute ist bekannt, dass sich der Wandel der Landwirtschaft negativ auf die Bedingungen für Fauna und Flora in der Feldflur auswirkt. Damit ist auch die positive Wirkung der Ökosystemdienstleistungen geschwächt.
Die klimatischen Veränderungen, wie die zeitliche Verlagerung von Niederschlägen, warme Winter, Hitze- und Dürreperioden sind weitere Faktoren, die die Agrarökosysteme unter Stress setzen.
Die Folge ist u.a. der Rückgang von Arten, die frühere Generationen täglich auf den Feldern und Wiesen begleiteten: Kiebitz, Rebhuhn, Grauammer, Feldlerche usw. Gleichzeitig profitieren Schädlinge vom Rückgang ihrer Fressfeinde und von den klimatischen Veränderungen: Glasflügelzikade, Kirschessigfliege, Maiszünsler und Japankäfer verbreiten sich und schädigen zunehmend den Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln.
Das Land Hessen setzt sich für den Erhalt der Biodiversität und die Stärkung von Ökosystemdienstleistungen ein und bietet verschiedene Förderprogramme an. Die landwirtschaftlichen Betriebe in Hessen können sich freiwillig zur Umsetzung von Öko-Regelungen und HALM2-Maßnahmen verpflichten.
Erhalt & Förderung der Agrarökosysteme
Um den Pflanzen und Tieren der offenen Agrarlandschaft das Überleben zu ermöglichen, müssen ihnen geeignete Lebensräume in intensiv bewirtschafteten Gebieten angeboten werden. Durch Nutzungsintensivierungen wurden in den letzten Jahren die spezialisierten Tier- und Pflanzenarten durch Generalisten verdrängt. Es ist nun die Aufgabe Korridore, Randstreifen, Trittsteine und Einsprengsel von niedrig genutzten Flächen so zu gestalten, dass Artenschutz effektiv wird, indem Synergien in der Fläche und in der Nutzung realisiert werden. Es bleibt darüber hinaus abzuwarten, wie sich die eingeleiteten Agrarumwelt- und Naturschutzmaßnahmen mittel- und langfristig auf die Bestandssituation auswirken werden.
Vogelarten der offenen Agrarlandschaft
Im Agrarland ist die Bestandssituation vieler Vogelarten kritisch. Vögel, die auf Äckern, Wiesen und Weiden brüten, gehen – regional unterschiedlich – aufgrund der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung im Bestand zurück. Die Leitvogelarten der offenen Agrarlandschaft sind typische Feldvogelarten, hier sind z. B. besonders die Kornweihe, Ortolan, Grauammer, Rebhuhn oder Wachtel vom Rückgang betroffen. Auch weitere Arten, die die offene Agrarlandschaft als wesentliches Teilhabitat nutzen, sind ausgestorben oder vom Aussterben bedroht wie beispielsweise Steinkauz, Schwarzstirnwürger, Raubwürger oder Brachpieper. Besonders kritisch wird die Situation heute dadurch, dass sogar bis vor kurzem häufige und als robust geltende Arten der Feldlandschaft überall drastisch und rasch zurückgehen: Betroffene Arten wie Goldammer, Feldlerche, Baumpieper, Feldsperling, Bluthänfling und Stieglitz galten noch vor wenigen Jahren als vollkommen ungefährdet. Analoges gilt für die Artengruppe der Wiesenbrüter und der extensiv genutzten Viehweiden: Wachtelkönig, Kiebitz, Bekassine, Uferschnepfe, Großer Brachvogel, Rotschenkel, Sumpfohreule, Wiedehopf, Steinschmätzer, Braunkehlchen, Wiesenpieper, Schafstelze. An den sehr starken Bestandsrückgängen von Kiebitz, Bekassine und Braunkehlchen lässt sich die Situation ehemals weit verbreiteter und häufiger Arten der offenen Kulturlandschaft sehr genau ablesen. Die genannten Vogelarten sind die prägnantesten Beispiele für den dramatischen Rückgang der Biodiversität.
Ackerwildkräuter
Ackerwildkräuter sind die Lebensgrundlage vieler Offenlandtierarten, wie Insekten, Weichtiere und die unterschiedlichsten Bodenorganismen. Es sind eine Vielzahl von Ackerwildkräutern wie Kornblume, Kamille, Klatschmohn und Kornrade, bzw. Pflanzenarten der Feuchtwiesen, durch die landwirtschaftliche Nutzung bedroht. Die Rote Liste der gefährdeten Pflanzenarten in Deutschland identifiziert Ackerwildkräuter als die meist bedrohte Arten-Gruppe. Die moderne Landwirtschaft und das intensive Landnutzungsmanagement, mit der Anwendung von Herbiziden und Düngemitteln, verstärkte Samenbehandlungen und vereinfachte Fruchtfolgen, sind die wichtigsten Ursachen für den kontinuierlichen Rückgang der Ackerwildkräuter. Schutzmaßnahmen wie die Ausbreitung in botanischen Gärten und Reservaten haben nur lokale Auswirkungen. Im Gegensatz dazu waren Naturschutzprogramme auf der Ebene der Bundesländer, die die Einrichtung von Feldrändern auf welchen die Anwendung von Herbiziden und Düngemitteln ausgeschlossen war, recht erfolgreich in der Wiederherstellung der typischen Ackerpflanzengemeinschaften. Derzeit verlieren diese Programme die Unterstützung von Landwirten und der Landwirtschaftsverwaltung, und Feldränder mit typischen Ackerwildkräutern werden durch Blühstreifen ersetzt. Die Einrichtung von Blühstreifen konzentriert sich jedoch nicht auf die Erhaltung der einheimischen Ackerwildkräuter-Arten, sondern auf die Bereitstellung von Nahrung und Unterschlupf für Insekten und Kleinwild. Da diese Blühstreifen meist aus wettbewerbsfähigen, ruderalen und in vielen Fällen nicht heimischen Arten bestehen, lassen sie wenig Platz für die Errichtung und die Regeneration der einheimischen Ackerwildkräuter.